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07.09.2017 00:07

"ArbeitFairTeilen" bei der Europäischen Sommeruniversität von Attac in Toulouse

Ein Bericht von Margareta Steinrücke

liebe mit-arbeitfairteiler*innen,

 

ich will euch kurz von unserem workshop auf der ESU in toulouse berichten. durchgeführt haben ihn adrien tusseau für das collectif roosevelt/frankreich, jean-marie harribey für attac/frankreich und ich für unsere ag arbeitfairteilen.

 

entgegen meinen eher verhaltenen erwartungen war das seminar sehr gut besucht: ca. 70 teilnehmende (3/5 frauen, 2/5 männer), der raum war voll, manche standen noch draußen an der tür. im vom alter her sehr gemischten publikum, das sehr lebhaft mitdiskutiert hat, auch eine ganze reihe für die 32stundenwoche ganz praktisch engagierte gewerkschafter*innen, etwa von der CGT/Toulouse oder von der CNE/Belgien. CNE ist die linke christliche gewerkschaft, die die angestellten im privatsektor organisiert. sie hat eine broschüre herausgegeben mit der geschichte der arbeitszeitverkürzung und allen guten argumenten für eine 32stundenwoche und der entkräftung der gängigen vorurteile dagegen, die ich auch habe (natürlich nur auf französisch). die organisationssekretärin der CNE will unbedingt mit uns in kontakt bleiben und auch an unserem europäischen netzwerk in brüssel teilnehmen.

 

inhaltlich war der ws auch sehr gut. es ist mir glaube ich ganz gut gelungen (trotz improvisation auf französisch) den zusammenhang von arbeitslosigkeit, naturzerstörung, produktivitätsentwicklung und gesellschaftlichen triebkräften für arbeitszeitverkürzung herzustellen. richtig super ist auch der junge kollege vom collectif roosevelt, der die große kampagne des CR zur arbeitszeitverkürzung in all ihren facetten sehr gut dargestellt hat und uns bei der organisation des nächsten treffens unseres europäischen netzwerks in brüssel 19./20.10.17 eine große hilfe sein wird. dazu konnten wir auf der esu auch mit dem leiter der Rosa Luxemburg Stiftung/Brüssel, martin schirdewan, sprechen. die RLS wird doch die kosten für eine simultanübersetzung englisch, französisch, deutsch übernehmen und uns bei getränken und unterkunft behilflich sein. in ihren neuen räumen tagen können wir sowieso.

 

vielleicht das erfreulichste am ws war die tatsache, dass mit jean-marie harribey, dem vorsitzenden des wissenschaftlichen beirats von attac/frankreich, endlich jemand von attac-frankreich mit im boot ist. er hat einen wunderbaren vortrag über die geschichte der produktivitätsentwicklung, der arbeitszeiten, den zusammenhang von teilzeitarbeit und arbeitslosigkeit und die einordnung der arbeitszeitverkürzung in den kampf um eine ökologische transformation der gesellschaft gehalten. er gehört zu einer linken ökonom*innengruppe in frankreich, les économistes aterrés, und hat schon bei gründung von attac-frankreich vor 19 jahren für das setzen der arbeitszeitverkürzung auf ihre agenda plädiert. war damals noch nicht so einfach. umso mehr freut es ihn, dass es jetzt durch die kooperation mit uns auf die to kommt. auch mit ihm werden wir in engem kontakt bleiben. für die, die französisch können, sind seine arbeiten über azv nachzulesen auf seiner website: www.harribey.u-bordeaux4.fr/travaux/travail.

 

am heftigsten diskutiert auf der ESU wurde natürlich der kampf gegen macrons loi travail, das neue arbeitsrecht, das er unter umgehung des parlaments per "ordonnance" umstzen wollte. ein direkter angriff auf die 35stundenwoche ist darin nicht enthalten (wahrscheinlich weil auch macron weiß, dass die französ*innen sich die annehmlichkeiten eines verlängerten wochenendes oder gelegentlicher kurzurlaube nicht wieder nehmen lassen wollen), indirekte angriffe aber sehr wohl: durch die geplante liquidierung der hierarchie der regelungsebenen (gesetz geht vor tarifvertrag vor betriebsvereinbarung) incl. günstigkeitsprinzip für die beschäftigten, was bedeutet, dass potentiell auf betrieblicher ebene alle möglichen flexibilisierungs- und verlängerungsvarianten vereinbart werden können; durch die zusammenlegung der funktionen von comité d´entreprise, délégué du personnel und zuständigen für arbeitsschutz mit der konsequenz der potentiellen völligen überlastung der dann noch existierenden einen belegschaftsvertretung, die dann ihre kontrollfunktion u.a. in bezug auf überschreitungen der höchstarbeitszeit nicht mehr richtig wahrnehmen kann; und durch die radikale aufweichung des kündigungsschutzes, wo keine klar definierten begründungen für entlassungen mehr nötig sein sollen und die abfindungssummen radikal gedeckelt werden sollen. die mobilisierung gegen dies loi travail um den 20.9.herum beschäftigt attac, linke und gewerkschafter*innen in frankreich derzeit am meisten.

 

insgesamt glaube ich sagen zu können, dass die ESU für unser anliegen der gerechten verteilung von arbeit und der erweiterung des netzwerks dazu auf europäischer ebene, ein voller erfolg war. jetzt heisst es weiterkämpfen, erstmal in unserem eigenen wahlkampf vor dem 24.9. mit unserem schönen flyer dazu (kriege ganz viel positives echo dazu, z.b. als martin schulz in bremen war), und bei der weiterarbeit zum europäischen netzwerk mit unserem arbeitstreffen am 19./20.10.17 in Brüssel.

 

herzliche grüße aus bremen

margareta

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